Mit einem Federstrich ?


Die CSU beantragte einen "einmaligen Erlass" der Straßenausbaubeiträge in der westlichen Altstadt.
Foto: Archiv/Nürnberg Luftbild Hajo Dietz

Schon neue Anfragen...

NEUMARKT. "Natürlich wollen auch wir uns nicht mit 120 Bürgern streiten", sagte Rechtsamtsdirektor Jürgen Kohler auf Anfrage von neumarktonline zu dem Antrag der CSU.

Er wies aber darauf hin, daß die Rechtmäßigkeit eines solchen Erlasses tatsächlich zumindest rechtlich fraglich ist. Der CSU-Antrag werde wohl in der nächsten Sitzung des Stadtrates auf die Tagesordnung kommen.

Ob mit einem Erlaß die "Geschichte" wirklich erledigt wäre, steht übrigens in den Sternen. Es seien schon jetzt Schreiben von Neumarkter Bürgern außerhalb des betroffenen Altstadtgebiets eingetroffen, die ankündigten, in diesem Fall wollen auch sie für einen Erlaß ihrer Ausbau-Beiträge streiten...
NEUMARKT. Die Unendliche Geschichte um die Straßenausbau-Beiträge in der westlichen Altstadt soll nach Meinung der Neumarkter CSU mit einem Federstrich beendet werden. Sie stellte jetzt offiziell den Antrag, die Forderungen zu erlassen und bezahlte Beiträge zurückzugeben.

Nach "intensiven Gesprächen" mit der Interessengemeinschaft der über 100 betroffenen Bürger, die Widerspruch gegen die Straßenausbaubeitragsbescheide der Stadt Neumarkt erhoben haben (wir berichteten mehrmals) und nach "allgemeinen Erkundigungen" beim Landratsamt als zuständige Widerspruchsbehörde habe man die Entscheidung getroffen, diesen Erlassantrag zu stellen, hieß es am Dienstag von der CSU.

Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung gab es dabei nicht: die CSU-Stadtratsfraktion stellte ausdrücklich fest, dass sowohl die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Geltungsbereich des vereinfachten Sanierungsverfahren der Altstadt wie auch der Erlass einer Sondersatzung nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und der Rechtsprechung zum Straßenausbaubeitragsrecht zulässig waren.

Aktualisierung

NEUMARKT. Wenige Stunden nach der Veröffentlichung des nebenstehenden Berichts in neumarktonline hat auch die SPD-Stadtratsfraktion in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, daß man ebenfalls einen Antrag auf Erlass der Straßenausbaubeitrags-Forderungen in der westlichen Altstadt gestellt habe (Bericht hier)
Die Stadtverwaltung habe nach den Grundsätzen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gehandelt und die Straßenausbaubeiträge durch Bescheide erhoben, hieß es von der CSU. "Ihr kann daher kein Vorwurf gemacht werden". Das rechtliche Verfahren sei ja auch mit der Rechtsaufsicht abgesprochen gewesen.

Unabhängig davon sehe die Abgabenordung die Möglichkeit vor, dass aus sachlichen oder persönlichen Gründen ein Erlass von Beitragsforderungen möglich ist, wenn in der Forderung eine unbillige Härte für die betroffenen Bürger gesehen werden kann. Hier hatten zumindest in einer Stadtratssitzung im letzten Jahr Oberbürgermeister Thumann und Rechtsdirektor Jürgen Kohler Bedenken: ein Verzicht auf die Beiträge wäre lupenrein ein "rechtswidriger Beschluß", sagte Kohler damals (wir berichteten).

Neben den rechtlichen Gründen, die für eine Erhebung der Straßenausbaubeiträge sprechen, sieht die Stadtratsfraktion der CSU jedoch auch sachliche Gründe, die es erlauben würden, die Straßenausbaubeiträge zu erlassen. Dabei sei auch die Sondersituation der Altstadt als historisches Kerngebiet zu beachten, die es nach Meinung der CSU erlaubt, "hier anders vorzugehen, als bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im übrigen Stadtgebiet".

Die CSU führt in ihrem Antrag eine Reihe von Gründen auf, die wir im Wortlaut veröffentlichen:

1) Es liegt eine Ungleichbehandlung auf Grund der unterschiedlichen Sanierungsverfahren (förmliches in der östlichen Altstadt und vereinfachtes in der westlichen Altstadt) vor, die zwar rein baurechtlich gesehen korrekt ist, aber von den betroffenen Bürgerinnen und Bürger als ungerecht empfunden wird. So hat für den Bereich der östlichen Altstadt der Stadtrat entschieden, dass auf Grund einer durch ein Gutachten festgestellten geringen Bodenwertsteigerung nach der Sanierung keine Ausgleichbeträge von den Anliegern erhoben werden. Für den Bereich der westlichen Altstadt ist kein Gutachten eingeholt worden. Der Ausbauvorteil für die Anlieger ist von der Stadtverwaltung lediglich mit 20% in der Sondersatzung beziffert worden. Dieser Wert kann im Vergleich mit der geringen Bodenwertsteigerung in der östlichen Altstadt als so niedrig angesehen werden, dass für die westliche Altstadt ein Erlass in Betracht kommt. Dabei ist unseres Erachtens auch zu berücksichtigen, dass sowohl die Sanierung in der östlichen Altstadt als auch in der westlichen Altstadt anteilig durch Mittel des Freistaates finanziert wurden, die dieser im Rahmen der Städtebauförderung gewährt hat. Insofern wurde der städtische Haushalt bereits durch die staatliche Städtebauförderung für die Altstadt deutlich entlastet, was im übrigen Stadtgebiet so nicht der Fall ist. Die Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetags vom 1. April 2009 berücksichtigt nicht, dass eine teilweise Refinanzierung der Ausbaukosten bereits durch die Städtebauförderung erfolgt ist. Sie spricht daher nicht gegen einen Erlass.

2) Die Altstadt ist kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört worden. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt mussten nach dem Zweiten Weltkrieg – wie keine anderen Einwohner der Stadt Neumarkt i.d.OPf. – eine schwierige und langjährige Wiederaufbauarbeit leisten und haben mit großem Einsatz dazu beigetragen, dass die gesamte Altstadt aus den Ruinen wieder entstanden ist. Auch für den Straßenausbau musste auf die wenigen Baustoffe zurückgegriffen werden, die damals vorhanden waren. Dazu gehörte insbesondere das Kopfsteinpflaster, dass in der Altstadt nach den damaligen technischen Möglichkeiten zum Straßenbau verwandt wurde. Während im übrigen Stadtgebiet Straßen asphaltiert und Gehwege gebaut wurden, blieb in der Altstadt Jahrzehnte lang das alte Kopfsteinpflaster, dass allenfalls provisorisch ausgebessert wurde. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt haben daher viele Jahre die Belastungen der schlechten Straßen und Gassen erduldet, so dass als Gegenleistung der Stadt Neumarkt i.d.OPf. für die Mithilfe beim Wiederaufbau einmalig eine für die Anlieger in der Altstadt kostenfrei Sanierung ihrer Altstadtstraße gerechtfertigt erscheint.

3) Es ist unbestritten, dass die ausgebauten Straßen und Gassen in der Altstadt vor der Sanierung in einem teilweise sehr schlechten Zustand waren. So gab es viele Unebenheiten im Kopfsteinpflaster oder auch Schlaglöcher. Es trifft aber auch zu, dass die Stadt im Hinblick auf die Altsstadtsanierung Jahre lang keinen großen Unterhalt für die Straßen und Gassen in der Altstadt betrieben hat. So wurden keine Teerdecken erneuert oder keine Pflasterschäden beseitigt. Ein Beispiel hierfür findet sich noch in der Sterngasse neben dem alten Feuerwehrhaus bis zum Wegekreuz an der Einmündung in den Rainbügl. Die Stadt Neumarkt i.d.OPf. hat sich deshalb über viele Jahre Unterhaltskosten für die Straßen und Gassen in der Altstadt eingespart, was jetzt im Rahmen der Beitragsforderung ebenfalls zu Gunsten der Anlieger berücksichtigt werden kann.

4) Im Rahmen der Altstadtsanierung sind in den kleineren Straßen und Gassen Gehwege und Anliegerparkplätze weggefallen und es wurden stattdessen sogenannte Mischflächen geschaffen, die für die betroffenen Anlieger mit gewissen Nachteilen verbunden sind. So treten einige Anlieger, wenn sie aus ihrem Haus herausgehen, direkt auf den Fahrbahnbereich und müssen aufpassen, dass sie nicht von vorbeifahrenden Autos erfasst werden. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel im Rainbügl, wo die Straße teilweise auch sehr schmal wird. Um in den Straßen und Gassen der Altstadt parken zu dürfen, benötigen die Bewohnerinnen und Bewohner kostenpflichtige Anliegerparkausweise. Ansonsten gibt es in der Altstadt nur noch gebührenpflichtige Parkplätze oder die Parkhäuser. Über diese Gebühren leisten die Anlieger somit auch einen Finanzierungsanteil, der dem städtischen Haushalt zu Gute kommt. Unabhängig davon wurden alle Straßen und Gassen in der Altstadt im Rahmen der Sanierung gepflastert. Diese Pflasterung belebt zwar den Altstadtcharakter; jede Straßenpflasterung verursacht jedoch mehr Lärm als eine Asphaltierung einer Straße, so dass die Anlieger eine höhere Straßenlärmbeeinträchtigung hinnehmen müssen. Für die Anlieger ergeben sich damit deutliche Nachteile, die im übrigen Stadtgebiet so nicht vorkommen.


Diese Gründe sollen nach Auffassung der Stadtratsfraktion der CSU einen "einmaligen Erlass" der Straßenausbaubeiträge rechtfertigen, ohne dass dadurch ein Präzedenzfall für die künftig zu erhebenden Straßenausbaubeiträge in der Stadt Neumarkt geschaffen würde. Mit dem Erlass würden sich auch die zahlreichen Widerspruchsverfahren erledigen.

Die Stadtverwaltung müsste nur die bereits erhoben Beiträge wieder auszahlen und wäre von einer weiteren Bearbeitung der Widerspruchsverfahren oder auch möglicher künftiger Klagen vor dem Verwaltungsgericht entlastet.
11.08.09
neumarktonline: Mit einem Federstrich ?
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ISSN 1614-2853
15. Jahrgang
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